ProtectLiB
Das Spin-off der Uni Graz entwickelt ein automatisiertes und sicheres Verfahren zum Recyceln von Lithium-Ionen-Batterien. Die patentierte Vorbehandlung erlaubt das Schreddern vollgeladener Akkus und die gefahrlose Trennung der Materialien.
aws Preseed | 2023 | Deep Tech | Physical Sciences | Steiermark
Smartphones, Werkzeuge, Elektrofahrzeuge – Lithium-Ionen-Batterien finden sich heute in so gut wie jedem schnurlosen Elektrogerät. Sie speichern deutlich mehr Energie pro Gewichtseinheit als herkömmliche Akkus. Ihr Erfolg bringt aber eine große Herausforderung mit sich: Ihre Entsorgung und ihr Recycling halten nicht mit dem Produktionswachstum mit. Vor allem die Zunahme der Elektromobilität und des Einsatzes der leistungsfähigen Akkumulatoren werden in nächster Zukunft zu einem hohen Bedarf an Entsorgungsmöglichkeiten führen. Laut McKinsey wird der Markt für neue Lithium-Ionen-Batterien zwischen 2025 und 2030 einen Umfang von 250 bis 300 GWh pro Jahr erreichen, was einer Batteriemenge von eineinhalb Millionen Tonnen entspricht – und einem Rohstoffwert von circa 6,4 Milliarden Euro. Das Wachstum bis 2040 wird in derselben Studie auf 25 % pro Jahr geschätzt.
Jetzt hat das Grazer Start-up ProtectLiB ein Verfahren entwickelt, das den Aufbau einer nachhaltigen und flexiblen Kreislaufwirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien ermöglicht. Die Lösung besteht aus einer Maschine zum sicheren Zerkleinern der Batterien, einer mechanisch-physikalischen Separierung der Bestandteile und einer Behandlung mittels grüner Chemie zur Rückgewinnung der einzelnen Bestandteile. Die benötigte Energie kommt aus den Überschüssen anderer Vorgänge. Wichtig: Das Recyclingsystem aus Graz erlaubt eine dezentrale Stationierung am Point of Use – in der Regel bei den Batterieherstellern, aber auch bei großen Sammelzentren. Aktuell werden gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien als Gefahrgut über weite Strecken zu (meist nicht österreichischen) Recyclingstandorten transportiert. Das ProtectLiB-Verfahren ist das erste in Europa, das effektiv den Kreislauf für Lithium schließt. Das leistungsfähige Alkalimetall wird nicht der einzige so gewonnene Rohstoff bleiben: Das Gründungsteam, bestehend aus Tobias Kopp, Jürgen Abraham und Chris Pichler, arbeitet aktuell daran, die gleichen Schritte auch für Mangan, Nickel und Cobalt verfügbar zu machen – weitere kritische Rohstoffe, die in Lithium-Ionen-Batterien verbaut werden.
Vom Gefahrgut zur wertvollen „schwarzen Masse“
In dem vollautomatischen Schreddersystem von ProtectLiB können Lithium-Ionen-Batterien im vollgeladenen Zustand ohne händische Vorarbeit zerkleinert und verarbeitet werden. Konventionelle Recyclingverfahren erfordern in dieser Phase der Wiederaufbereitung umfangreiche personelle Ressourcen oder einen hohen technischen Aufwand. ProtectLiB unterbindet auch die Gefahr des „thermal runaway“, der zu chemischen Selbstentzündungen, Explosionen oder der Freisetzung von giftigen Gasen führen kann. Das Verfahren unterzieht die zerkleinerten Akkumulatoren einer kontrollierten thermischen Behandlung (patentiert) bei niedriger Temperatur und eliminiert so die letzte Brandgefahr. Damit wird aus dem einstigen Gefahrgut eine unbedenkliche „schwarze Masse“, die gefahrlos transportiert werden kann. Aus dieser „black mass“ werden in einem nächsten chemischen Schritt (ebenfalls patentiert) wertvolle Rohstoffe wie Lithium, Cobalt und Nickel gewonnen.
Große Wachstumschancen
Das Ziel ist, die Batterien künftig regional und vollständig zu recyceln. Daran wird es großen Bedarf geben. Der European Green Deal fordert den Einsatz von recycelten Materialien in neu produzierten Batterien. ProtectLiB plant, 2024 durch Consulting-Dienstleistungen den Markt bei Batterieherstellern und in der Automobilbranche aufzubereiten und Netzwerke zu entwickeln. Kern der Beratung ist, die Hersteller in ihren Prozessen für besseres Design for Recycling zu unterstützen. Eine erste Pilotanlage liefert ab Ende 2024 die Grundlage für die Weiterentwicklung des Verfahrens. Die Geschäftsidee sieht vor, die Anlagen im Auftrag der Kunden an deren Standort zu betreiben. Eine zweite Einnahmequelle sind die Erlöse aus dem Rohstoffverkauf, wie Kupfer, Aluminium, Stahl, Lithium, Cobalt und Nickel. Ab 2026 sollen die ersten Anlagen in Industriegröße laufen. Sie werden hauptsächlich die Originalgerätehersteller, Zulieferer und Batterieproduzenten bedienen.
„Lithium-Ionen-Batterien zeigen schon jetzt, dass sie das Potenzial haben, ganze Systeme zu revolutionieren. Mithilfe des Recyclings kann es gelingen, die Wirtschaft insgesamt nachhaltig und kreislauffähig zu machen. Die Mittel aus dem aws Preseed-Programm ermöglichten uns, den ersten Pilotkunden zu gewinnen und unsere IP weiterzuentwickeln. Ohne die Unterstützung der Förderbank wäre eine Pilotanlage ab dem vierten Quartal 2024 nicht möglich.“ - Tobias Kopp (CEO)
Tipp: Aus unserer Sicht sollte man ein konkretes Ziel vor Augen haben, das man gemeinsam definiert und auch zusammen zu erreichen versucht. Dabei ist es wichtig, die Kompetenzen im Team effizient einzusetzen und – bei Defiziten – zu ergänzen. Ein weiteres Learning war, dass man sich von Absagen durch Förderstellen, potenzielle Partner oder Kunden nicht abschrecken lassen sollte. Solche Ereignisse sind ein Ansporn, besser zu werden.